Berlin, 22. November 2023. Mehr als die Hälfte der Hilfesuchenden in den Sozialberatungsstellen der Caritas mussten in diesem Jahr an der Ernährung (53,5%) sparen. 45,5 Prozent schränkten sich beim Energieverbrauch ein und 39,9 Prozent beim Wohnen.
Das ergab die jährlich wiederkehrende Stichtags-Erhebung in den 478 Caritas-Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung am 21. September. Die Beratungsstellen sind eine erste und oft einzige Anlaufstelle für Ratsuchende mit Anliegen aller Art und somit ein guter Sensor für die Nöte und Probleme, die die Menschen in Deutschland gerade haben. Finanzielle Sorgen sind Hauptgrund für das Aufsuchen einer Sozialberatung. Aus den Ergebnissen der diesjährigen Abfrage lässt sich dazu ablesen: Steigende Preise für Energie verschärfen die Probleme von armutsgefährdeten Haushalten spürbar.
Dabei verfügte rund ein Drittel der Ratsuchenden am Stichtag über ein eigenes Erwerbseinkommen. „Ein Arbeitsplatz schützt längst nicht immer und automatisch vor existentiellen finanziellen Sorgen. Wenn sich keine bezahlbare Wohnung finden lässt oder wenn die Preise Lebensmittel oder für den Schulbedarf der Kinder drastisch nach oben gehen, passen Einkommen und Ausgaben plötzlich nicht mehr zusammen. Breitere Bevölkerungsschichten sind auf Hilfe und Begleitung angewiesen – ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung eines stabil geknüpften sozialen Netzes“, sagt Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes.
Schulden für Heiz- und Stromkosten
Ergänzt wird das Stichtags-Ergebnis der Sozialberatung durch weitere Caritas-Umfragen. „Aus den verschiedenen aktuellen Rückläufen ergibt sich ein genaues Bild, gerade unter Einbeziehung der Caritas-Schuldnerberatungsstellen. Energiepreise sind quer durch alle Haushaltstypen das Angst-Thema Nr. 1,“ so Welskop-Deffaa. Von 99 Prozent der Hilfesuchenden, die Bürgergeld erhalten, wurden in der Schuldnerberatung Stromschulden thematisiert. Bei 88 Prozent der Bezieher von Bürgergeld bzw. Wohngeld/Kinderzuschlag ging es in der Beratung um Schulden bei Heizkosten. 2021 lagen die Vergleichswerte bei Strom noch bei 54 Prozent und 41 Prozent bei den Heizkosten.
„In Zeiten steigender Konsumgüterpreise ist die zeitnahe Anpassung der Transferzahlungen unabdingbar,“ so Welskop-Deffaa. Gleichzeitig müssten die Erfahrungen aus dem Stromspar-Check, einer Peer-to-Peer-Beratung von Deutschem Caritasverband und dem Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD), für einkommensarme Haushalte zur Grundlage gezielter Beratungsangebote gemacht werden. „Wenn die Energiepreise in der Folge von Krieg und Klimaschutzerwägungen steigen, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen von Vermietern und Mietern, damit Energiesparen für alle gelingt.“
Unkomplizierter Zugang – persönliche Beratung
Wie in den vergangenen Jahren sind mehr als die Hälfte der Ratsuchenden in der Allgemeinen Sozialberatung Frauen (62,3 Prozent). Auffällig ist auch der Anteil junger Männer. 33 Prozent der männlichen Ratsuchenden sind unter 30 Jahre alt. Auch hier bilden existenzielle Sorgen als Folge der Inflation das Hauptproblem. Mehr als die Hälfte der Ratsuchenden insgesamt (52,1%) hat einen Migrationshintergrund. Von den Ratsuchenden mit Migrationshintergrund verfügt mehr als ein Drittel (35,45%) über ein eigenes Erwerbseinkommen.
Die 478 Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung funktionieren wie eine Clearing-Stelle. Finanzielle Probleme sind für Menschen meist der erste Anlass, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Nicht selten zeigt sich im Beratungsgespräch der Bedarf für weitergehende Hilfen – seien es Sucht- oder Schuldnerberatung, Erziehungshilfen, psychosoziale Dienste oder pflegerische Unterstützung.
„Diese wichtigen Anlaufstellen für hilfesuchende Menschen werden zu nahezu 100 Prozent von der Caritas aus eigenen Mitteln finanziert, d.h. aus Spenden oder kirchlichen Zuwendungen. Eine öffentliche Refinanzierung ist die Ausnahme. Die Stellen sind direkt, ohne Hürden und bürokratische Anforderungen zugänglich und bieten Erste Hilfe in allen Lebenslagen. Hier passt der Ausdruck von der „Feuerwehr des Sozialen“ besonders gut“, so Welskop-Deffaa.
Zur Info
Jedes Jahr am dritten Donnerstag im Monat September (2023: am 21. September) erheben die Caritas-Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung Daten zu den an diesem Tag geführten Beratungsgesprächen: Profil der Ratsuchenden (Alter, Geschlecht, Familiensituation, Einkommen…) und Grund oder Gründe für die Beratung. In diesem Jahr sind 2458 Vorgänge in die Erhebung eingeflossen.
Die Caritas in Salzgitter kann ab dem 1.4.2023 ein Angebot zur kostenlosen Energiespar-Beratung für Menschen mit geringem Einkommen starten. Senkt man die Stromkosten, kann mehr finanzieller Spielraum entstehen, um andere Energierechnungen zu bezahlen. Neben dem Caritasverband Peine ist bereits im Sommer die Caritas in Goslar in das Gemeinschaftsprojekt mit dem Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen eingestiegen. Nun sind weitere Caritasverbände dabei, Stromsparhelfer:innen für ihre Regionen zu finden und anschließend die Beratung zu starten.
Die Stromsparhelfer:innen kommen zum Check in die Wohnung. Zu den Energiesparmaßnahmen gehören Energiesparlampen, schaltbare Mehrfachstecker und Zeitschaltuhren, um den Stand-By-Verbrauch zu verhindern. Außerdem haben sie Tipps zum Duschen, Waschen und Heizen. Und ist der Kühlschrank, der 24 Stunden läuft, älter als zehn Jahre, kann man einen Zuschuss von 100 Euro für einen neuen beantragen. Für Bezieher:innen von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung, Wohngeld oder einem Kinderzuschlag ist die Beratung kostenlos. Ebenso für Menschen mit einem Einkommen unter dem Pfändungsbeitrag oder geringer Rente.
Das Angebot ist über Mittel des Bundeswirtschaftsministeriums finanziert und mit einem Zuschuss des Bistums in Höhe von 20.000 Euro aus den Steuermehreinnahmen der staatlichen Energiepreispauschale, auf die Kirchensteuer fällig wurde. Wirtschaftsminister Habeck will bis März 2023 rund 30.000 Vor-Ort-Beratungen ermöglichen.
Auch Menschen mit mittlerem Einkommen trifft die Energiekrise hart. Sie wissen oft nicht, dass auch sie staatliche Zuschüsse beantragen können. Ein Flyer unter dem Titel „Energiekrise – was nun?“ listet Rechenbeispiele und Anlaufstellen auf. Er ist unter https://www.caritas-dicvhildesheim.de/startseite/klima.gerecht.sozial/energiekrise rechts oben zum Herunterladen zu finden und wird inzwischen in der zweiten Auflage verbreitet.
Weitere Informationen:
Zum Stromspar-Check kommt man über https://www.stromspar-check.de/
Flyer „Energiekrise – was nun“? rechts oben zum Herunterladen auf
https://www.caritas-dicvhildesheim.de/startseite/klima.gerecht.sozial/energiekrise